Wie eine Erkältung fiel er mich an, der Begriff, bestehend aus zwei Worten, setzte sich in meinen Ohren fest und liess vorerst nicht mehr locker: «Schamanisches Singen». Tag und Nacht. Ich wusste was Schamanisches Singen ist (das glaubte ich jedenfalls), hatte solches live gehört. Ich kannte die Kraft der Stimmen, Laute und Trommeln und liess mich von ihnen verzaubern. Ich besitze eine CD mit samischen Joiks und so weiter und so fort. «Was bedeutet das?», fragte ich das Universum und die einzige Antwort lautete: «Schamanisches Singen.»
Als Mensch der Jetztzeit fing ich an zu googeln. Ich las dieses und jenes, nicht sonderlich interessiert, bis ich unter den Kurs- und Seminarangeboten auf «Soulwind/Seelenwind» stiess. Dieser Wind berührte mich und ich stieg ein und informierte mich. Ein Wochenendkurs auf einem Hügelzug in Rheinland–Pfalz. Es klang gut, einladend, aber wollte ich denn schamanisch singen lernen? Ich sang doch ohnehin schon die ganze Zeit. Und wie eine Samenschamanin oder ein Inuitmedizinmann würde ich nie singen können, auch nicht wollen. Bei aller Schönheit und Wertschätzung – ich lebe mein Siblinger Randenjurakalkleben und ich lebe es gerne.
Es half alles nichts. Ich meldete mich an. Ein Platz war noch frei, samt Unterkunft im Haus in einem Bett und nicht in einer Jurte mit Schlafsack, wofür mein Rücken dankbar war. In meinem Kopf kehrte Ruhe ein. Drei Wochen später reiste ich mit der Eisenbahn in eine mir bisher nicht bekannte Gegend durch den Pfälzer Wald und dann auf den Hügel.
Das Wochenende bereicherte mich sehr – die Landschaft, die Menschen, die Musik, die Stimm- und Klangübungen. Und ich habe etwas für mich Fundamentales mit nachhause genommen, nämlich, dass ich alles besingen kann, das Alltägliche und das Himmlische, das Sichtbare und das Erahnte. Wichtig dabei ist «nur», dass ich meine Klänge, Laute, Worte dazu finde, in mir. Dass genau das einem meiner Wünsche und meiner Vorstellung von Singen entsprach, die ich schon seit meiner Kindheit hatte, erkannte ich dort. Ich wollte immer singen, aber nie Sängerin werden, wie sich das die Mutter meiner Mutter für mich gewünscht hatte.
Wir suchten uns in dem grossen verwunschenen Garten einen eigenen Platz, um in uns hineinzuhorchen – bei einer Übung, um unser aktuelles Seelenlied zu finden – Töne, Klänge, Worte, Laute, Rhythmen, geklatscht oder gestampft oder getanzt, einfach das Eigene. Ich fand:
Wenn ich singe,
Wenn ich klinge,
Wenn ich singe, träume ich.
Meine Stimme,
Meine Stimme,
Meine Stimme – das bin ich!
Seither singe und walzere ich im Dreivierteltakt zu den ersten drei Zeilen durch Garten, Haus oder Wald, im zweiten Teil marschiere ich sehr energisch und bestimmt, so dass weder ich noch sonst jemand daran zweifeln kann, dass ich meine Stimme bin und meine Stimme ich ist. Ich wiederhole das Lied stets dreimal. Danach ist meine Stimmung auf einem dynamischen Stand.Ich gehe zum Singen auch gerne auf den Siblinger Randenturm oder in unsere Dorfkirche. Sie ist klein, harmonisch schön, voller Herzenergie und hat eine sehr gute Akustik. Meist klinge ich für mich, gelegentlich vor Publikum und, wenn jemand das möchte – als Geschenk des Universums – für Dich, für Sie, für Euch.